Romanische Kollegiatskirche in Tum

Romanische Kollegiatskirche in Tum

Diese Etappe führt uns von Łęczyca aus zunächst zu einer der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der gesamten Route zwischen Dresden und Warschau: zur romanischen Kollegiatskirche in Tum. Im weiteren Verlauf erreichen wir in Czerników (bei Zürner als „Sirnikow“ vermerkt) wieder den – historisch südlich von Łęczyca trassierten – alten Zürnerschen Postkurs. Der weitere historische Streckenverlauf verlief über Piątek, Stare Piaski, Mroga, Bielawy, Chruślin nach Łowicz. Um die stark befahrene Straße Nr. 703 zu meiden und dem klassizistischen Schloss in Walewice einen Besuch abzustatten, führt die unten vorgeschlagene Radroute aber nördlich dieser Ortschaften entlang.

Burgwall aus dem 6. Jh.

Wir verlassen Łęczyca in östlicher Richtung auf der Straße 18 Stycznia und biegen schon ca. 100 m nach Querung der Landesstraße 91 und eines Entwässerungsgrabens rechts ab. Durch den Piłsudski-Park führt nun ein nicht asphaltierter Fahrweg vorbei am Tierheim (schronisko dla zwierząt) und über die hier noch schmale Bzura zur alten Wallanlage (Grodzisko „Szwedzka Góra“). Hier befand sich zwischen dem 6. und 12. Jh. ein regionales Machtzentrum. Archäologische Untersuchungen in den Jahren 1948-58 haben drei aufeinander folgende Ausbauzustände nachgewiesen. Der älteste Teil der Anlage aus dem 6./7. Jh. war von einer zweifachen, 10 m hohen Palisade umgrenzt. Deren Basis war jeweils 15 m breit. Die Anlage war zudem durch einen dreifachen Ring von Wassergräben geschützt. Der Zugang zur Burg führte in östlicher Richtung über eine Holzbrücke. Zuletzt war die Burg im Jahre 1107 durch König Boleslaw Schiefmund wieder aufgebaut und verstärkt worden. Während der Invasion durch die Schweden im 17. Jh. wurde der Burgwall als Geschützstellung genutzt, daher der heutige Name. Weiter geht’s nun zu der nebenan in Sichtweite befindlichen Kirche in Tum.

Tum, Wandbild Christus Pantokrator

Tum, Wandbild >Christus Pantokrator<

Stiftskirche in Tum

Die 1141-61 erbaute Stiftskirche der hl. Jungfrau Maria und des hl. Alexius (Archikolegiata NMP i św. Aleksego) ist die größte und prachtvollste unter den erhaltenen romanischen Kirchen in Polen. Nach schwersten Zerstörungen in Folge der Kämpfe im Jahre 1939 wurde die Kirche u. a. mit deutschen Fördermitteln ab 1947 über viele Jahre hinweg im ursprünglichen romanischen Stil wieder aufgebaut. Auch wenn das Dach im Zuge des Wiederaufbaus als Betonkonstruktion errichtet worden ist, vermittelt die ansonsten aus Granit, Sandstein und Feldsteinen gebaute Kirche heute wieder den Eindruck eines idealen Bauwerks: einer dreischiffigen Pfeilerbasilika. Diese zeigt Einflüsse der niedersächsisch-ottonischen Architektur. Das kunstvolle Nordportal trägt eine Darstellung der Muttergottes mit dem Jesuskind (um 1160). Bemerkenswert sind weiterhin ein Relief des Christus Pantokrator, eine Grabplatte vom Ende des 12. Jh. und Fresken im Westchor (um 1160-70).

Tum, Tür in der Westfassade

Tum, Tür in der Westfassade

Die Weihe der Kirche fand am 21. Mai 1161 statt. An ihr nahmen alle polnischen Bischöfe und Fürsten teil. Es folgten Zerstörungen durch Tataren und Litauer, letztere 1294. Bald darauf, in den Jahren 1306 und 1331, wurde die Kirche von deutschen Ordensrittern erobert und beschädigt. Der folgende Wiederaufbau sowie spätere Umbauten sorgten dann für gotische und Renaissanceeinflüsse. 1705 wurde die Kirche wieder zerstört, diesmal durch die Schweden. Der Wiederaufbau erfolgte in den Jahren 1765-85 auf Initiative und Kosten des Bischofs Kajetan Sołtyk unter der Leitung des Architekten Ephraim Szreger im klassizistischen Stil. In diesem Kontext wurde auch 1761 die benachbarte kleine hölzerne St. Nikolaus-Kirche erbaut. 1939, während der Schlacht an der Bzura, nutzen die Deutschen die Kirche als Beobachtungsposten. Dieser wurde von polnischer Artillerie beschossen, was neben weiteren Beschädigungen in noch folgenden Kampfhandlungen zu einer so massiven Zerstörung führte, sodass nach Kriegsende die Entscheidung für den Wiederaufbau wohl umstritten war.

Góra Świętej Małgorzaty

Der weitere Weg führt uns nun in exakt östlicher Richtung auf einer gut asphaltierten, kleinen Dorfstraße über 6 km, vorbei an Gemüsefeldern, nach Góra Świętej Małgorzaty. Das dort befindliche Kloster wurde bereits 1141 urkundlich erwähnt. Im Jahre 1818 wurde es durch Zar Alexander I. aufgelöst, seine Güter beschlagnahmt oder an Bauern verteilt. Zu dieser Zeit (1827) umfasste das Dorf 23 Häuser mit 153 Einwohnern. Auf dem Friedhof befindet sich das Grab von Major Żabokrzycki, eines Anführers der patriotisch gesinnten, polnischen Aufständischen des gegen die russische Teilungsmacht gerichteten Januaraufstandes von 1863. Die Klosterkirche liegt auf der einzigen nennenswerten Erhebung der Umgebung, 25 m (absolut 136 m ü. d. Meeresspiegel), über der „Ebene von Łowicz – Błonie“, einem Abschnitt des Berlin-Warschauer Urstromtals. Der Hügel bietet einen schönen Ausblick. Die Kirche ist ein ursprünglich im romanischen Stil errichteter Ziegelbau, der in den folgenden Jahrhunderten wurde mehrmals erneuert wurde. Neben dominierenden barocken Stilelementen finden sich auch solche der Backsteingotik.

Wir halten uns nun weiter in östlicher Richtung und gelangen entlang der nur einseitig bebauten Dorfstraße über Moraków und Żabokrzeki, wo der Straßenverlauf nach Süden abknickt, nach Czerników. Weiter von Gemüsefluren begleitet, fahren wir nach Piątek, dem geografischen Mittelpunkt Polens.

Piątek

Piątek, Dreifaltigkeitskirche

Piątek, Dreifaltigkeitskirche

Heute mit Dorfstatus, war Zürners „Piondeck“ seit 1339 mit Stadtrecht versehen. Die Ersterwähnung fand bereits 1136 statt. Im 16. Jh. war die Stadt für ihre Bierherstellung bekannt. Mitte des 17. Jh. zählte sie 320 Häuser und 1.500 Einwohner. Nachdem die Schweden die Stadt Mitte des 17. Jh. heimgesucht hatten, war ein weiterer Stadtbrand im Jahre 1681 Initial für den wirtschaftlichen Niedergang. Im Jahre 1685 waren nur noch 40 Häuser vorhanden. Auch 100 Jahre später waren es kaum mehr. Trotzdem gab es um 1800 herum 33 (!) Brauereien. 1807 wurde die Stadt, wie auch die ganze Gegend, Teil des Herzogtums Warschau, 1815 dann Kongresspolens. Im Jahre 1817 gab es wieder einen verheerenden Stadtbrand, der bewirkte, dass die bis dahin nur in Einzelfällen angewendete Ziegelbauweise durchgängig Einzug hielt, begleitet von weiteren Modernisierungen der kommunalen Infrastruktur, wie Straßen, Kanälen und Brücken. So entstand auch die heutige, geradlinige Verbindung (Straße Nr. 703) zwischen Łęczyca und Piątek in dieser Zeit (1826). 1863 spielte Piątek während des Januaraufstands eine wichtige Rolle. 1870 büßte die Stadt wegen ihrer verloren gegangenen Bedeutung die Stadtrechte ein. 1937 zählte man 3.450 Einwohner, darunter 1.070 Juden. Es gab 214 Geschäfte und 61 Handwerksbetriebe. Aber das Ende des Niedergangs war noch nicht erreicht: im Zuge der Kämpfe im September 1939 wurde Piątek weitestgehend zerstört. 185 polnische und etwa 300 deutsche Soldaten wurden getötet. Während den folgenden 5 Jahren, 4 Monaten und 15 Tagen Besatzungszeit gab es zahlreiche Repressalien gegen die Zivilbevölkerung, die jüdische Bevölkerung wurde ausgelöscht.

Altes Bauernhaus in der Nähe von Łowicz

Altes Bauernhaus in der Nähe von Łowicz

Alle Widrigkeiten überdauert haben die um 1460 herum entstandene, 1740 umgebaute und erst jüngst frisch sanierte Dreifaltigkeitskirche (Kościół parafialny pw. Świętej Trójcy) sowie die aus Holz errichtete Laurentius-Friedhofskirche (Kościół cmentarny pw. św. Wawrzyńca) aus der Mitte des 18. Jh. Um die Stadt herum gibt es mehrere Radwege, darunter auch den „Schlacht-an-der-Bzura-Radweg“.

Piątek – Łowicz

Wir verlassen Piątek in östlicher Richtung auf der Straße 703 und fahren 1 km bis Łęka, wo wir links in Richtung Łazin abbiegen. Wir passieren die Ruine eines Guthauses (1910), kommen nach Orenice und queren die Autobahn A1. Vorbei an einem Gutshaus aus der Mitte des 19. Jh. und einer prähistorischen Grabanlage (Grodzisko stożkowe) geht es weiter nach Łazin. Wir halten uns rechts in Richtung Emilianów, wo es weiter parallel zur etwas südlicher verlaufenden Straße 703 geht. Entlang des Waldgebietes Las Mrodzki streifen wir Marywil und erreichen Walewice.

Walewice und Maria Walewskas Liaison mit Napoleon

In Walewice befindet sich ein in den Jahren 1773-83 für Anastazy Walewski, Kämmerer Königs Stanisław August Poniatowskis, errichteter klassizistischer Palast. Eingebettet in eine Teich- und Flusslandschaft, wurde dieser samt des ihn umgebenden Parks nach einem Entwurf von Hilary Szpilowski erbaut. Der Architekt wurde später von Herzog Friedrich August („dem Gerechten“) zum Baumeister in der Stadtverwaltung Warschau ernannt worden, war Woiwodschafts-Baumeister von Masowien und arbeitete von 1817-23 als Professor an der Universität Warschau.
Maria Walewska (1786-1817), Adlige aus Kiernozia bei Łowicz, hatte – 18-jährig – den 70-jährigen Grafen geheiratet und von ihm 1805 einen Sohn bekommen. Napoleon traf Gräfin Walewska 1807 auf einem Ball in Warschau und fand Gefallen an ihr. Aus patriotischen Erwägungen bzw. dem Einfluss ihres persönlichen Umfeldes stimmte sie später einer Liaison mit dem französischen Kaiser zu. Ihre Schwangerschaft im Jahre 1809 führte zur Trennung Napoleons von dessen Ehefrau Joséphine. Am 4. Mai 1810 wurde Alexandre Graf von Colonna-Walewski, später Botschafter in Frankreich, Großbritannien und den Außenminister unter Napoleon III., in Walewice geboren (gest. 1868). Napoleon bat den greisen Grafen Colonna-Walewski, der sich schon längst von seiner Frau getrennt hatte, mit Erfolg um die Anerkennung seines Kindes. Im Weiteren sorgte sich Napoleon trotz seiner Heirat mit der Tochter des österreichischen Kaisers um die materiellen Belange Maria Walewskas und des gemeinsamen Sohnes.

Radwegzeichen

Radweg „Säbel und Bajonett“

Seit Mitte des 19. Jh. bis zur Enteignung 1945 war Familie Grabiński Eigentümer auf Schloss Walewice. In der Nacht vom 9. zum 10. September 1939 fanden in der Nähe heftige Kämpfe statt. Auf dem Friedhof befinden sich die Gräber der gefallenen polnischen Kavalleristen und ein Denkmal zur Erinnerung an die Schlacht. Im Schloss sind heute die Möbel und einige sonstige Hinterlassenschaften der letzten Eigentümer zu besichtigen.

In Walewice trifft man auf den rot gekennzeichneten „Säbel-und-Bajonett-Radweg“ (Szable i Bagnety), der unter 2-maliger Querung der Bzura über Sobota, Sobocka Wieś, Urzrcze, Wiernowice, Swiące, Szczudłów und Otolice nach Łowicz führt.
Sehenswert in Sobota, was 1655 Schauplatz einer Schlacht zwischen Schweden und Polen war, sind ein auf das 15. Jh. zurückgehender, neugotischer Palast, die Pfarrkirche St. Peter und Paul (1518) und die aus Holz errichtete Friedhofskirche aus der 1. Hälfte. des 17. Jh.

Wer auf der Straße 703 unterwegs sein möchte, sollte in Bielawy die spätgotische und in Chruślin die aus der Übergangszeit zur Renaissance (1556) stammende Kirche besichtigen.

 

Links
www.leczyca.info.pl
http://www.goraswmalgorzaty.pl/
http://www.gminapiatek.pl