Beziehungen zwischen Kutno und Sachsen

von Dr. Piotr Stasiak

 

Andrzej Hieronim Zamoyski

Andrzej Hieronim Zamoyski

In der Mitte des 18. Jahrhunderts stand Kutno in seiner Entwicklung anderen Städten ähnlicher Größe nicht nach. Die Stadt befand sich im Adelseigentum, hatte landwirtschaftlichen Charakter mit einem gewissen Anteil von Handwerk und Handel. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts waren die Kutnoer Güter samt der Stadt Eigentum der Adelsfamilie Zamoyski.

Seit 1742, nach einer Vermögensteilung, gehörte Kutno Andrzej Hieronim Zamoyski (1716-1792). Bevor er aber begann, sich intensiver der Verwaltungs seines Gutes zu widmen, leistete er 9 Jahre lang (1744-1754) Militärdienst im sächsischen Heer, vor allem beim Regiment des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen, wo er den Rang eines Obersten erreichte. Es ist durchaus möglich, dass der Dienst im protestantischen Sachsen Einfluss auf die Ansichten und das Wirken des späteren Krongroßkanzlers ausübte. Seit 1776 arbeitete er an der Kodifikation des Rechts in der Republik Polen, bekannt als Gesetzbuch von Andrzej Zamoyski (Andrzej-Zamoyski-Kodex). Nicht minder verdient hat sich Zamoyski um Kutno gemacht und die Stadt hat ihm viel zu verdanken. Seine wirtschaftliche Tätigkeit legte den Grundstein für die Entwicklung der Stadt in folgenden Jahrzehnten. 1766 erwirkte Zamoyski von König Stanislaw August Poniatowski die Erneuerung der städtischen Privilegien und erließ im darauffolgenden Jahr eine Ordnung im Sinne der Aufklärung. Der Frondienst in den Kutnoer Gütern wurde aufgehoben und durch Steuern ersetzt. Dies war umso notwendiger, als dass endlich die Schäden des großen Stadtbrandes 1753 beseitigt werden mussten.

Das zweite und wohl wichtigste Bindeglied zwischen Sachsen und Kutno ist das Postpalais des Wettiners August III., welches hier im Jahre 1750 im Auftrag des Königs von Johann Martin Walter erbaut wurde. Eine sichere und bequeme Verbindung zwischen Dresden und Warschau war für die sächsischen Könige von immenser Bedeutung. Insbesondere angesichts der Schlesien-Kriege, denn das preußische Schlesien musste in jedem Fall durchquert werden. Um die Durchfahrtzeit durch feindliches Gebiet möglichst zu verkürzen, hatte der König 1749 das Anlegen eines im Vergleich zu den Zürnerschen Routen noch weiter nördlich verlaufenden, über Krosno, Kargowa, Poznań, Kutno nach Warszawa führenden Post- und Reiseweges befohlen.

Frontpartie des Postpalais in Kutno (Quelle: www.muzeumkutno.home.pl/palac_saski)

Frontpartie des Postpalais in Kutno (Quelle: www.muzeumkutno.home.pl/palac_saski)

Zur logistischen Absicherung der Route mussten neue Poststationen bzw. Herbergen errichtet werden. Dazu zählte auch das Postpalais in Kutno. Mit dem Kastellan von Samogetien, Graf Józef Franciszek Pac (1685 – 1764), wurde ein Pachtvertrag abgeschlossen, der die Überlassung des erforderlichen Grundstücks für eine Jahresmiete von 500 Tümpffen vorsah. Später wurde die Miete dann auf das Konto des neuen Stadteigentümers, Andrzej Zamoyski, eingezahlt. Zum Verwalter des Palais wurde ein Bettmeister (im Kontrakt vom 1750 „Burggraf“ genannt) namens Gottlieb Hausius ernannt, der früher eine ähnliche Herberge in Dąbrowa verwaltet hatte.

Die Baukosten beliefen sich auf 5000 – 6000 Thaler. Bei der Errichtung des Palais wurden vorwiegend deutsche Handwerker beschäftigt. Noch Anfang April 1750 war man sich unsicher, ob der Gebäudekomplex noch rechtzeitig für den Empfang August III. fertig gestellt werden könnte, was aber schließlich doch gelang.

Das polnische Köngspaar Maria Josepha (1699–1757) und August III. (1696-1763)

Das polnische Köngspaar Maria Josepha (1699–1757) und August III. (1696-1763)

Beide Königlichen Majestäten (König und Königin) kamen am späten Vormittag des 24. April 1750, um 11:00 Uhr, in Kutno an, „wo zur Ankunft der Königlichen Majestäten eine Ehrensalve aus einem kleinen Mörser abgegeben wurde. Ihre Königlichen Majestäten traten über die Schwelle des neugebauten Palais und verzehrten um 11:30 Uhr eine Mahlzeit; nachher um 12:30 fuhren die Königlichen Majestäten, ohne in Kutno zu übernachten, nach Warschau weiter, wo Sie um 22:45 in bester Gesundheit ankamen“.

Den nächsten Besuch in Kutno notierte man am 8. Oktober 1750, als die königliche Familie hier auf dem Weg nach Dresden übernachtete (Weiterfahrt am Morgen des 9. Oktober um 7:00 Uhr). In Kutno wurden sie von Primas Adam Ignacy Komorowski begrüßt. Vor der Abfahrt ordnete der König an, im Kutnoer Palais einige Änderungen vorzunehmen, unter anderen sollte das Vestibül zur Kapelle umgebaut werden.

Ein weiteres Mal traf der König mit seiner Gemahlin und den Kindern am 31. August 1752 in Kutno ein, als er nach Warschau eilte (das königliche Paar um 10:00 Uhr, dessen Kinder um 11:30 Uhr) und im Palais ein Mittagessen gereicht wurde. Schon Ende Juni wurde zur Absicherung der königlichen Mahlzeit eine entsprechende Porzellangarnitur vorausgeschickt. Bis zum Jahr 1763 war der König mit seiner Familie noch mehrmals zu Gast in Kutno, aber auch andere herausragende Vertreter des Hofes und Kulturlebens hielten sich hier auf.

Am Palais wurden immer wieder Änderungen und Renovierungen vorgenommen. So erhielt J.M. Walter am 18. Juni 1752 eine Summe von 1903 Thalern für die Vollendung der auf der Postroute durch Großpolen nach Warschau gelegenen Bauten in Kleczewo und Kutno. Die Summe war auch für den Ausbau der Strecke (Straßen und Brücken) vorgesehen. Für den weiteren Ausbau wurde am 13. Februar 1753 die Summe von 454 Thalern bezahlt: „für Änderungen, die in unseren Übernachtungsstätten in Kleczewo und Kutno durchgeführt wurden“. Weitere Arbeiten (ab 5. September 1754) wurden danach schon unter der Aufsicht des Bauamtes in Warschau und auf Befehl des Amtsdirektors Johann Friedrich Knöbel durchgeführt. Er erhielt am 31. Dezember 1756 finanzielle Mittel für weitere Baumaßnahmen.

östl. Seitenflügel des Postpalais in Kutno vom Hof aus (2015)

östl. Seitenflügel des Postpalais in Kutno vom Hof aus (2015)

Im Jahre 1763 wurde das Palais erneut renoviert. Der König nutzte es zum letzten Mal am 25. April 1763, als er von Polen nach Dresden fuhr, wo er im Oktober desselben Jahres verstarb. Nach seinem Tod wurde das Postpalais erneut Eigentum der Stadtherren. Es sind jedoch keine genaueren Umstände bekannt, unter welchen es dazu kam. Laut einem Dokument aus dem Jahre 1778 war die Rechtslage noch nicht geregelt. Bis heute steht das Palais im Stadtzentrum Kutnos als eines der wenigen, noch erhaltenen Relikte der sächsisch-polnischen Union und der damaligen, logistisch hervorragend angelegten Wegverbindungen zwischen Dresden und Warschau. Leider wurde es 2003 durch einen Brand teilweise zerstört.

Die Entscheidung Augusts III., seine Reiseroute durch Kutno zu legen und hier eine königliche Herberge zu errichten, hatte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der Stadt. Die Verbesserung der Infrastruktur, Brückenbau, die Instandhaltung des Wegenetzes und die militärische Absicherung der Wege förderten Handel und Austausch. Beeinflusst wurde auch die Bevölkerungsentwicklung von Kutno, die nach 1750 deutliche Anstiege zu verzeichnen hatte. Positive Auswirkungen hatte wahrscheinlich auch die Tatsache, dass für den Bau des Postpalais Meister verschiedener Handwerksinnungen aus Dresden herbeigeholt wurden.

Straßenverbindung zwischen Kutno und Warschau (historische Karte von 1789)

Straßenverbindung zwischen Kutno und Warschau (historische Karte von 1789)

Die Straßenverbindung Dresden-Warschau wurde in den nachfolgenden Jahren eine der wichtigsten Ost-West-Verkehrsverbindungen in Polen. Im Jahre 1807 kehrte in Kutno erneut ein Vertreter der Wettiner-Dynastie ein – Friedrich August, sächsischer König und Herzog von Warschau. Auf seinem Weg nach Warschau hielt er sich damals im Sitz des Stadtherrn W. Rzętkowski in Gierałty auf. Das Postpalais Augusts III. beherbergte damals wahrscheinlich die lokale Verwaltung.

1809 bezog General Jan Henryk Dąbrowski für einige Tage Quartier in Kutno. Dessen Militärkarriere begann 1771 in der sächsischen Armee und er diente seit 1780 im Dienstrang eines Oberst in der Kurfürstengarde in Dresden (siehe Hoyerswerda).

Grabstein Macjej Wodzinskis auf dem alten kath. Friedhof in Dresden

Grabstein Macjej Wodzinskis auf dem alten kath. Friedhof in Dresden

Durch Kutno führte auch nach Dresden und weiter in den Westen der Weg einiger Polen, die im 19. Jahrhundert ins Exil unterwegs waren. Ein Vertreter dieser Gruppe war Senator Maciej Wodziński (1782 – 1848), geboren im Landgut in Gołębiewo bei Kutno und seit 1816 Gutseigentümer. Hier sammelte er seine berühmte Bibliothek und Stichkollektion. Nach der Niederschlagung des Novemberaufstandes siedelte er 1831 nach Dresden um, wo er das Wodziński-Nationalmuseum gegründet hat, das in den Jahren 1848-1850 bestand. Im Februar 1850 ging das Museum in der Sammlung der Polnischen Bibliothek auf. Unter den Werken befand sich unter anderem ein wunderbares Album mit 30 Aquarellen von Sylwester Zieliński (1781 – 1853), mit dem Titel Ubiór Woyska Polskiego z 1811 roku (Bekleidung des Polnischen Heeres vom 1811), welches er höchstwahrscheinlich im Auftrag des sächsischen Königs Friedrich Augusts I. angefertigt wurde. Maciej Wodziński fand seine letzte Ruhestätte auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden.

Frédéric Chopin hatte die in Dresden lebende Familie Wodziński auf der Rückkehr vom Treffen mit seinen Eltern in Karlovy Vary im September 1835 besucht. Im darauf folgenden Jahr hat Chopin der 17 – jährigen Maria Wodzińska, Nichte des Kutnoer Senators Michał Wodziński, einen Heiratsantrag gemacht. Seiner Dresdner-Kujawien-Liebe hat der Komponist die Handschrift des Walzers As – Dur gewidmet. An den Aufenthalt Chopins in Dresden erinnert eine Tafel am Haus in der Schlossstraße 5.

Auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden ist auch Karol Włodek begraben, der Anführer einer Abteilung von Aufständischen, die 1863 während des Januaraufstandes in der Umgebung von Kutno gekämpft hat.

Das letzte an dieser Stelle zu nennende Bindeelement zwischen Kutno und Sachsen stellt ein Grab aus dem ersten Weltkrieg dar, gelegen auf dem Friedhof der Pfarrkirche zum Hl. Stanislaus. Dort ruhen zwei Husaren, wahrscheinlich Polen, die vermutlich in einem der sächsischen Regimente gedient haben. Sie fielen im August 1914 in einem Hinterhalt der russischen Armee.

 

Der Historiker Dr. Piotr Stasiak ist stv. Direktor des Regionalmuseums in Kutno.

  • Postpalais August III., Pl.Piłsudskiego 19 –> siehe Kapitel „Geschichte“
  • Regionalmuseum, Pl.Piłsudskiego 20, eingerichtet im klassizistischen Rathaus (1843-45), siehe Bild nebenan
  • Herrenhaus der Fam. Chlewicki, ul. Narutowicza 20, um 1800 aus Holz erbaut
  • Laurentiuskirche, ul. Kardinal Stefan Wyszynski 4, neugotisch (1886)
  • Ev. Kirche, ul. Sienkiewicza 13, 1881
  • Schloss Gierałty, ul. Niecała, 1775 – 91 im Stil des Rokoko erbaut, mehrmals umgebaut, ursprünglicher Charakter teilweise verloren. Das Schloss besteht aus einem Mittelteil, zwei Seitenflügeln und zwei freistehenden Pavillons. Aufenthaltsort von Kaiser Napoleon Bonaparte, des preußischen Königs Friedrich August und Charles de Gaulles (1920), heute Musikschule
  • Park Wiosny Ludów mit neoklassizistischem Mausoleum (1840) des ehemaligen Eigentümers von Kutno – Mniewskich, heute:
  • Museum der Schlacht von Bzura, Al.Walentiny i Feliksa Mniewskich, erinnert an die Schlacht zwischen polnischen und deutschen Truppen vom 9.-19. September 1939
  • Jüdischer Friedhof, ul. Leonarda Teligi, 1793 eröffnet, bis März 1943 in Betrieb, 2,8 Hektar Fläche, Grabsteine mit Inschriften in Hebräisch und Polnisch
  • noch nicht recherchiert

 

 

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